Eike Christian Hirsch 

 "Allein was hilft die Brille in ihrem Futteral, wenn niemand durchsieht?"

Gottfried Wilhelm Leibniz

Geboren am 1. Juli 1646 in Leipzig, 
gestorben am 14. November 1716 in Hannover
 

Leibniz kam an einem Dezembertag des Jahres 1676 in Hannover an. Der begabte Gelehrte, nun schon dreißig Jahre alt, war lange vom Herzog umworben worden, denn der war ein wissbegieriger Mann, der sich unterhalten und das Neueste aus der Welt der Wissenschaft und der Politik referieren lassen wollte. Doch Leibniz war die Zu­sage, nach Hannover zu kommen, schwer gefallen, er wäre lieber in Pa­ris ge­blieben, wo er die letzten knapp fünf Jahre 

verbracht hatte, zunächst als Di­plomat seines ersten Brot­herrn, des Kurfürsten von Mainz, dann als Privatmann, ganz dem Selbststudium der Mathe­matik hingegeben. Er hatte eine große Entdec­kung ge­macht, die Infinitesimalrechnung, in die bislang kaum je­mand eingeweiht war, und er hatte noch weit größere Pläne im Kopf, näm­lich eine neue Begriffssprache, die er schon deutlich vor sich sah, eine Spra­che, in der man so zu­verlässig würde denken können, wie man bis dahin nur rechnete. Eine Sprache mit dem Ziel, dass, wenn zwei Men­schen sich streiten würden, sie zuein­ander nur noch sagen müssten: "Rechnen wir!" und bald stünde fest, wer Recht hat.
Am nächsten oder übernächsten Tag nach seiner Ankunft mag Leibniz vorgelassen worden sein, Herzog Johann Friedrich empfing Untertanen gewöhnlich an seinem Audienz-Bett, denn er war übermäßig dick. Leibniz hatte ihm einen Entwurf mitgebracht, wie die Justiz im Lande zu reformieren sei, er lief gera­dezu über von Ideen, auch hier bei seiner ersten Unterredung. Hand­werk und Handel waren zu bessern nach fran­zösischem Vor­bild, auch Archi­ve landesweit anzulegen. Leibniz stand dort am Bett in der Rolle seines Lebens.
Er hatte gleich nach der Promotion, jetzt vor zehn Jahren, eine Professur ausgeschlagen, weil er wohl wusste, dass die Beratung eines großen Herrschers seine Lebensaufgabe und Lei­denschaft sein würde. Freilich hatte das ein wirklich großer Herr, am liebsten der deutsche Kaiser in Wien sein sollen. Er hätte auch gern in Paris dem Sonnenkönig gedient oder seiner Wissenschaftlichen Akademie.
Doch Leibniz ist in Hannover geblieben, vierzig Jahre lang. Er hat sich zwar wegbeworben, vor allem nach Wien, aber er blieb. Im Alter war er häufig in Berlin, dort herrschte der Schwieger­sohn sei­nes Hannoverschen Herrn und dort hat er eine Akademie ge­gründet. Außer­dem unterhielt er sich mit der preußischen Königin, die er schon als han­noversche Prinzessin gekannt hatte. Im ganz hohen Alter wurde er dann so nebenbei doch noch Reichshofrat in Wien, das war jedoch nur eine Art Ehrenti­tel. Und er wurde Justizrat seiner Majestät des russischen Zaren, auch das wieder nur auf dem Papier. Eigentlich blieb er ein hannoverscher Hofrat, genauer ein Bi­bliothe­kar, der endlich, mit fünfzig Jahren, zum Geheimen Ju­stizrat er­nannt wurde.
Doch von den vierzig hannoverschen Jahren war er dreißig Jahre lang vor allem damit beschäftigt, die Geschichte der Wel­fen, al­so sei­nes Herr­scherhauses, zu verfassen. Diese unendliche Last war ein selbst au­f­er­legtes Schicksal. Da konnte er sich später kaum beklagen.
Sein erster Herzog, dieser Johann Friedrich, der ihn sich als eine Art Paradiesvogel an den Hof geholt hatte, starb schon nach drei Jahren. Ihm folgte sein jüngerer Bruder Ernst August, eine wahre Herrschergestalt. Der erkannte zwar die Begabung des Juristen und Alleswissers Leibniz, hatte aber keine Beziehung zu ihm und verwendete ihn wie ein Werkzeug. Leibniz war am Hofe dieses Macht­menschen und Erfolgstyps nebenbei eine Art Sachbear­beiter, der verschie­denen Ministern zuzuarbeiten hatte, die ihn hi­storische und politische Expertisen schreiben ließen.
Achtzehn Jahre lang herrschte Kurfürst Ernst August. Dann folgte ihm sein ältester Sohn Georg Ludwig und der hatte für den alten Leibniz noch weniger Sinn. Georg Ludwig, ein kalter Mensch, leicht beziehungsgestört, ist der Welfe, der, nachdem er gut 15 Jahre Kurfürst in Hannover gewesen war, als Georg I. nach Eng­land ging, weil Hannover die britische Krone geerbt hatte. Das war 1714, zwei Jahre vor Leibnizens Tod. Leibniz wäre gern mitgegangen wie der halbe Hof­staat, er hatte sich sogar erhofft, er werde Hof-Geschichtsschreiber von England, aber der neue König hatte keine Verwendung für ihn. Er wollte, dass der alte Leibniz endlich seine Welfengeschichte vorlegte.
Was hat denn Leibniz die vierzig Jahre lang den ganzen Tag gemacht? Er verfolgte im­mer große Projekte. Schon während seiner ersten drei Jahre unter jenem Herzog, der Sinn für seine Begabung hatte, entschloss er sich, seinen Herrscher zu bitten, ihn zu einer Art Technischem Direktor der Harzer Silber­bergwerke in Claus­thal zu machen, die halbstaatlich waren und die wichtigste Einnahmequelle des Her­zogtums bildeten. Er wollte dort neue Techniken einführen, vor allem Wind­mühlen, die da­für sorgen sollten, dass Pumpen das Wasser aus den Schächten ho­ben. Leib­niz hat über sechs Jahre lang sehr viel Zeit in Clausthal verbracht und hat den Bau und die Erprobung seiner Mühlen, Fördergestänge und Pumpen über­wacht. Seine techni­schen Ideen waren zwar nicht revolutionär, aber auch nicht ausge­reift. Zudem hatte er als Außenseiter natürlich alle Fachleute gegen sich. Schließlich ver­bot Herzog Ernst August jedes weitere Experiment, weil die Sache zu teuer wurde. Das brachte Leibniz die wohl schlimm­ste Niederlage seines Lebens.
Zu seinem Glück konnte er sich am Hof halten, weil ihm der wohlwollende Pre­mierminister eine neue Aufgabe zuschob.  DerHerzog hatte nämlich den Wunsch an­gedeutet, eine Geschichte seiner Familie, also der Welfen, zu besitzen. So etwas diente damals in Europa der Verherrlichung eines Herrscherhauses. Und Leibniz, der dazu Lust hatte, griff zu. Er versprach sich davon ein gutes Gehalt auf Dauer und unter der Hand viele Freiheiten, um seiner eigentlichen Neigung, den Wissen­schaften, nachzugehen. Mit diesem neuen Auftrag war er nach dem persönlichen Konkurs erst mal gerettet. Er hat bald mit einer Genauigkeit, die damals noch nicht üblich war, alte Urkunden gesucht und die ersten Vorfahren der Welfen aufgespürt.
Herzog Ernst August, der bald Kurfürst wurde, sah es wohl gern, wenn sein gelehrter Hofrat seiner Frau, der  Kurfürstin Sophie, als Ratge­ber zur Verfügung stand, und die Kur­fürstin, eine kluge, spöttische, sehr selbstsichere Frau, gewöhnte es sich an, den Höfling Leibniz als ihren Gesprächspartner und Anreger zu beschäftigen. Das war natürlich keine Be­ziehung von gleich zu gleich, aber Leibniz konnte sich geschmeichelt fühlen. Die Tochter dieser Herrscherin, So­phie Charlotte, die nach Berlin heiratete, war später genauso auf das Gespräch mit Leibniz versessen und rief ihn zu sich in ihr neues Privat­schloss, das heute Charlot­tenburg heißt. Aus ihrer beiden Gesprächen, die sie oft im Park führten, ist Leibnizens einziges Buch, das zu seinen Lebzeiten er­schien, seine "Theo­dicée", hervorgegangen (1710). Der Titel ist ein Kunst­wort, von Leib­niz erfunden, und soll "Rechtfertigung Gottes" heißen, nämlich die Rechtferti­gung seiner guten Schöpfung ge­gen die Vorwürfe der Skeptiker oder Atheisten.
Formal blieb Leibniz der Bibliothekar des  Kurfürsten. Da Ernst August aber keine Bü­cher anschaffen ließ, war das eigentlich gar kein Posten für einen so ehrgeizigen und arbeitsamen Mann. Ein anderer Welfe, der Herzog von Braun­schweig, der in Wolfenbüttel residierte, bot ihm an, nebenbei auch der Leiter seiner Bibliothek, einer nun wahrhaft be­rühmten, zu werden. Und Leibniz hat diese Aufgabe gern nebenbei übernommen.
Seine eigentliche Leidenschaft aber war das Korrespondieren. Schon als junger Mann hatte er Briefe an berühmte Gelehrte geschrieben. Er konnte es sein Leben lang nicht lassen, mit Koryphäen und Fachleuten Briefe zu wechseln. Auf diese Weise machte er sich den größten Geistern seiner Zeit ebenbürtig. Da es noch keine festen Postwege gab, brauchte man Mittelsmänner, oft Diplomaten oder Rei­sende, die die Briefe beförderten. Es war alles mühsam, aber Leibniz hat in sei­ner besten Zeit jährlich etwa zwei- bis dreihundert Briefe geschrieben und noch mehr erhalten. Sie werden heute immer noch aus dem Nachlass herausgegeben, vom Leibnizarchiv in Hannover, wo die meisten lagern. Insge­samt hat er, als er starb, etwa 40.000 Zettel und Texte hinterlassen, die eben­falls immer noch gesichtet und herausgegeben werden.
Er veröffentlichte auch gern in den wenigen Zeitschriften der Gelehrten, die es da­mals gab. Und er war ein gesuchter Autor, schrieb Rezensionen, griff Themen der Meta­physik auf, am besten schrieb er jedoch über mathema­tische Probleme. Auf die­sem Gebiet blieb er fruchtbar. Zwanzig Jahre nach seiner großen Entdec­kung in Paris wurde seine neue Mathematik (Calculus oder Analysis genannt, heute sagt man Infinitesimalrechnung oder auch Differential- und Integralrechnung) in Europa bekannt. Die neue Rechenart wurde von jüngeren Wissenschaftlern angewendet, mit erstaunlichem Erfolg. Daher war Leibniz, als er auf die fünfzig zuging, allein schon als Mathe­matiker in Fachkreisen ein berühmter Mann.
Allerdings stand Wissenschaft damals noch nicht in hohem Ansehen. Es war eher ein spleeniges Hobby, sich mit Mathematik, gar mit Physik oder Chemie zu be­schäftigen. Doch gab es kein Thema, zu dem er nicht et­was zu sagen wusste. Er will die deutsche Sprache gefördert und erforscht se­hen und regt 1693 andere Gelehrte dazu an, die deutschen Mundarten zu beschreiben. Er wünscht sich auch ein Wör­ter­buch der wissen­schaftlichen Ausdrücke und will den Wortschatz des Hand­werks und an­de­rer Be­rufe gesammelt wissen. Von Gewicht sind seine „Unvor­greiflichen Ge­dan­ken betreffend die Aus­übung und Verbesserung der Teut­schen Spra­che" (verfasst wohl um 1700, von ihm nicht veröffentlicht). Vorge­schlagen wird darin die Gründung einer Gesellschaft, die sich der Sprache an­nimmt, so ähnlich wie er es im Jahre 1679 in seiner „Ermahnung an die Teutsche, ihren Verstand und Sprache besser zu üben „ (von ihm nicht veröffentlicht) getan hatte. Es gab damals bereits seit fünf Jahrzehnten eine ge­lehrte Debatte darüber, wie das Deutsch mo­dernisiert werden könnte. Einige die­ser Sprachverbesserer schlugen neue Endungen vor (Brüdere, Nach­fol­gere), an­dere wollten das 'Sch' weitge­hend ab­schaffen, jedenfalls vor Konso­nanten (Swert, sla­gen, Smuck), auch kk sollte statt ck durchgesetzt werden.
An diesen Bestrebungen, neue Regeln zu erfinden, hat sich Leibniz nicht be­teiligt. Er dachte sich, die Sprache könne nur dann gewinnen, wenn gebil­dete Menschen aus lauter Freude miteinander ins Gespräch kämen, weil sich dann ein reineres, dabei elegantes Deutsch von selbst entwickeln werde. Damit hatte er wirk­lich ein besseres Urteil als die selbst­ernannten ‚Grammatiker' mit ihren Ein­grif­fen und ihren Vorschriften. Sprachkultur entsteht durch kulti­viertes Spre­chen. In die­sen patriotischen Zeiten streicht Leibniz seine Mutter­sprache sogar ein wenig ge­gen andere heraus. "Daher ich bei denen Italiänern und Franzosen zu rühmen gepfleget: Wir Teutschen hätten einen sonderbaren Probierstein der Ge­danken, der an­dern unbe­kant; und wann sie denn begierig gewesen, etwas da­von zu wis­sen, so habe ich ihnen bedeutet, daß es unsere Sprache selbst sey; denn was sich darin ohne entlehnte und un­gebräuchliche Worte ver­nehmlich sagen lasse, das seye würk­lich was Recht­schaffenes."
Aber Leibniz war kein Fremdwort-Hasser, wie es manche der dama­ligen Sprachfreunde waren. Bei denen erkannte er eine "abergläubische Furcht" vor je­dem fremden, aber passenden Wort. "Was die Einbürgerung betrifft, ist sol­che bey guter Gelegenheit nicht auszuschlagen, und den Sprachen so nützlich als den Völkern", heißt es mit kluger Gelassenheit in den „Unvorgreiflichen Ge­­danken". Der Mode, neue deutsche Worte zu erfinden, war er jedoch wohl­­­ge­sinnt. So übernahm er neue ‚Kunstworte' wie herzinnig (für französisch ten­dre), Ge­sichtskreis (für Hori­zont), Einteilung (für digestio), Abteilung (für dis­positio) oder Abriss (im Sinne von Plan, Entwurf).
Ein Mann von seinen Gaben und seinem Anspruch musste sich aber ebenso zu den überkommenen Fragen der Philosophie äußern. Was ist der Stoff, aus dem sich die Welt zusammensetzt? Gibt es den Geist als Gegenüber der Materie? Woraus besteht die Seele? Gibt es einen freien Willen oder ist alles festgelegt wie die Mechanik in einer Uhr? Das waren die Fragen, die seit den alten Griechen auf der Tagesordnung stan­den.
Und Leibniz beteiligte sich. Als reifer Mann legte er (in der besten französischen Gelehr­tenzeitschrift) seinen System­entwurf vor. Und er hat ihn immer wieder nach­gebessert. Er nahm dabei an, dass die Welt aus Monaden bestehe, aus Seelen-Atomen, die keine Ausdehnung ha­ben, aber Verstand oder jedenfalls Gedächtnis. Er wollte kein Materialist sein, er setzte auf den Geist. Und heute, wo die Quanten­physik dafür gesorgt hat, den platten Materia­lismus ad absur­dum zu führen, verlockt es manchen wieder, sich an die Seelen-Atome eines Leib­niz zu er­innern und sich zu fra­gen, ob statt der Atome nicht der Geist das Eigentli­che ist, aus dem alles besteht.
In seinen letzten Lebensjahren erlitt Leibniz den Schimpf, dass sein Kon­kurrent in England, der überragende Phy­siker Isaak Newton, verbreiten ließ, Leibniz habe seine Infinite­simalrechnung bei dem bedeutenden Engländer abgeschrieben. Der Streit zwischen England und Deutsch­land ging bis ins zwanzigste Jahrhundert. Dann wurde geklärt, dass Newton seine Ent­deckung der höheren Mathematik zwar früher machte, Leibniz aber die Lösung ganz selbständig nacherfand und sogar die elegantere Form dafür entwickelte.
Unser großer Gelehrter ist mit siebzig Jahren sehr einsam gestorben. Der Hof war zwei Jahre zuvor nach London gegangen, in Hannover waren wohl nur Mini­ster zurückgeblieben, die von Leibniz wenig wussten. Während sein Ruhm unter Gelehrten verbreitet war, vergaß man ihn in Hannover. Immerhin hatte er die letzten 18 Jahre in dem schönsten Bürger-Haus Hannovers gelebt, das mit einer Renaissance-Fassade aus Sandstein geschmückt war und in der Schmiedestraße stand. Dort hatte der Hof 1698 die Bibliothek unter­gebracht und Leibniz durfte darin seine Dienstwohnung nehmen. Dort ist er auch an Er­schöpfung in seinem Bett gestorben, von Gallen- und Gelenk­schmerzen gequält und nur von einem Gehilfen und von sei­nem Kutscher versorgt.
Sein Grab bekam er, wie es ihm als Beamtem zustand, in der Hofkirche, also der Neustädter Johannis-Kirche, wo noch heute eine Grabplatte mit der Inschrift "Ossa Leibnitii", zu deutsch "Die Gebeine von Leibniz", gezeigt wird. Bestattungen in ei­ner Kirche, nicht auf einem Friedhof, galten damals als Privileg der besseren Stände. Zur Beerdigung jedoch kamen nur wenige Menschen und niemand vom kurfürstlichen Hof. Unter welcher der vielen Stein-Platten, die den Fußboden der Kirche bedeckten und meist nicht beschriftet waren, Leibniz bestattet wurde, geriet bald in Vergessenheit. Etwa 75 Jahre nach seinem Tod aber verlangten so viele Be­sucher Hannovers, sein Grab in der Kirche gezeigt zu bekommen, dass man eine der vielen Grabplat­ten mit der ge­nannten Inschrift versah. Das war wohl im Jahre 1790. Hoffentlich hat man damals das richtige Grab bezeichnet.
Zweierlei ist noch zum Nachruhm von Leibniz zu sagen. Die deutsche gebildete Öf­fentlichkeit verehrte Leibniz nach seinem Tode als den Mann, der die "Theodicée" geschrieben hatte, jene Rechtfertigungsschrift für Gott, die behauptet, un­sere Welt sei die beste unter allen nur denkbaren Welten. Ganz Europa hat diese Idee über Jahr­zehnte begeistert aufgenommen. Auf Leibniz wurde das Wort "Optimist" geprägt, seine Weltauffassung nannte man ent­sprechend "Optimismus". Den schätzte man, bis sich Voltaire in seinem Roman "Candide" über diese Bot­schaft lustig machte.
Leibniz war, das ist ein Gemeinplatz, der letzte Polyhistor, also ein Gelehrter, der noch das ganze Wissen seiner Zeit präsent hatte. Zu Recht sagte fünfzig Jahre später Friedrich der Große von Preußen über ihn: "Er versam­melte in seinem Kopf eine ganze Akademie der Wissenschaften." Höher noch zu rühmen ist: Er hat bei al­lem, was er tat, das öffentliche Wohl im Auge gehabt. Er wollte der Menschheit voran helfen. Dazu diente ihm die Wissen­schaft, die Technik, die Politik und sogar die Metaphysik. Sie war ihm eine neue Methode der Erkenntnis. Doch fragte er seine Leser: „Allein was hilft die Brille in ihrem Futteral, wenn niemand durchsieht?“
Seine Wissenschaft sollte der Allgemeinheit dienen – schon deshalb ist er ein Vorbild bis heute. Ebenso, weil er uns gelehrt hat, dass die mechanische, also die materialistische Betrachtung der Natur nicht die alleinige Wahrheit ist. Damit wurde er zum Begründer des deutschen Idealismus.

Werke:
Die gesammelten Schriften und Briefe von Gottfried Wilhelm Leibniz werden seit 1923 von der Akademie der Wissenschaften zu Berlin herausgegeben und sind auf mehr als hundert Bände angelegt.
Fast ausschließlich philosophische Schriften von Leibniz sind – meist als Ausgaben für Studierende – erhältlich, darunter:

Leibniz, Gottfried Wilhelm, Unvorgreifliche Gedanken, betreffend die Ausübung und Verbesserung der deutschen Sprache. Zwei Aufsätze, hrsg. und komm. von Uwe Pörksen und Jürgen Schiewe, Ditzingen (Reclam) 1983.
Leibniz, Gottfried Wilhelm, Versuche in der Theodicee über die Güte Gottes, die Freiheit des Menschen und den Ursprung des Übels, Hamburg (Meiner) 1996.
Leibniz, Gottfried Wilhelm, Philosophische Werke. Hauptschriften zur Grundlegung der Philosophie I und II, vier Bände, Hamburg (Meiner) 1996.
Leibniz, Gottfried Wilhelm, Philosophische Schriften, hrsg. von Hans Heinz Holz, vier Bände in sechs Teilbänden, Frankfurt am Main (Suhrkamp Taschenbuch) 1996.

Eine Textauswahl bietet:
Leibniz, Gottfried Wilhelm, Leibniz. Ausgewählt und vorgestellt v. Thomas Leinkauf, München (dtv) 2000

Über Gottfried Wilhelm Leibniz:
Aiton, E. J., Leibniz. Eine Biographie. Aus dem Englischen übertragen von Christiana Goldmann und Christa Krüger, Frankfurt am Main (Insel) 1991.
Heinekamp, Albert, Isolde Hein, Stiftung Niedersachsen (Hrsg.), Leibniz und Europa, Hannover (Schlütersche) 1993.
Hirsch, Eike Christian, Der berühmte Herr Leibniz. Eine Biographie, München (C. H. Beck) 2000 .
Karl Popp, Gottfried Wilhelm Leibniz. Das Wirken des großen Universalgelehrten als Philosoph, Mathematiker, Physiker, Techniker, Hannover (Schlütersche) 2001.




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