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Gartenpark am Goetheanum

Kein Bildband hat mich in diesem Jahr so entzückt, wie dieser Garten-, Park- und Jahresrundgang um das Dornacher Goetheanum herum. Aber zunächst eine kurze Erklärung, warum ich ihn auf dieser Seite bespreche und dass es sich um keinen Irrläufer handelt, auch wenn das Wort „Goethe“ hier nur indirekt und in abgewandelter Form auftaucht. Das zweite Goetheanum wurde (nachdem das erste in der Silvesternacht 1922/23 durch Brandstiftung in Flammen aufging) in Beton gebaut. Der eigenwillige Baustil resultiert aus Rudolf Steiners Bemühen, aus dem „toten“ Beton etwas Lebendiges, Vegetatives zu machen, um damit Entwicklungsgesetze des Lebendigen – hierin Goethes Metamorphosegesetzen folgend! – in künstlerischen Formen auszudrücken. Aus dem Bemühen, Architektur, Plastik, Malerei und Glasmalerei miteinander zu verbinden, um so einen geistig stimulierenden Raum für Musik, Schauspiel und Eurythmie zu schaffen, ist – wie immer man das Ergebnis beurteilen mag – etwas so Ungewöhnliches entstanden, dass mittlerweile Tausende in jedem Jahr nach Dornach fahren, um es sich anzuschauen.

Der seit den 50er Jahren darum herum entstandene Gartenpark hat seinerseits zahlreiche Metamorphosen durchlaufen hat, von denen man im Sommer 2009 sagen möchte: Diese hier und jetzt ist die bislang schönste! Felsliweg und –wiese, Nord- und Südbeet, Gemüse-, Schnittblumen-, Heilkräuter- und Färberpflanzengarten, Garten und Park, Kunst und Kultur – das geht alles gleitend ineinander über und stellt eine einzigartige Sinnenlust für Augen, Nase und – auch das! – für die Füße dar. Vergleichbares findet man in Deutschland vielleicht nur noch in Weimar und Wörlitz und in England sicher in Sissinghurst. (An den Park von Vita Sackville-West und Harold Nicolson hat mich der in Dornach überhaupt sehr erinnert, auch wenn er natürlich einem ganz anderen Plan folgt.)

Aufgabe der Gartenkunst ist es, die Natur so zu gestalten, dass sie in ihrer Eigenart und Atmosphäre auch ästhetischen Ansprüchen gerecht wird. Das ist den Gärtnern und Gärtnerinnen in hohem Maß gelungen. Natürlich durchblättert man den Band zunächst von Bild zu Bild und ist schon da entzückt. Aber wenn man dann das Gesehene mittels der durchweg angenehm zu lesenden Texte vertieft, hat man zum einen noch mehr vom Parkbesuch und auch für den eigenen Garten und vor allem das Verständnis vom Jahreszyklus gelernt. Hier wird die Goethesche Phänomenologie und die biologisch-dynamische Landwirtschaft Rudolf Steiners nachvollziehbar zusammengeführt. Was man alles beim Rasenmähen lernen kann und was das mit Steiners „naturintimer Wechselwirkung“ zu tun hat – hier ist es zu lesen. Und bekommt auch sein bekanntes Rätselwort erklärt: „Was die schöne Natur draußen ist, sind eigentlich lauter imitierte Krankheitsprozesse.“

Keine Frage auch, dass sich in diesem sehr irdischen Garten Eden (denn er ist mit ungeheurem Fleiß verbunden!) mehr Schmetterlinge aufhalten als weit und breit umher. Lebewesen von denen der Begründer der modernen Anthroposophie schrieb:

Schaue die Pflanze!
Sie ist der von der Erde
Gefesselte Schmetterling.

Schaue den Schmetterling!
Er ist die vom Kosmos
Befreite Pflanze.

KLAUS SEEHAFER

Benno Otter, Jörg Mensens (Texte), Charlotte Fischer (Fotografien): Gartenpark am Goetheanum. Dornach: Pforte Verlag 2008. 200 S. Kart. 29,- €