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Der Schöne-Faust

Als 1994 die "Faust"-Edition Albrecht Schönes erschien, bedeutete sie den Höhepunkt innerhalb der Goethe-Ausgabe des Deutschen Klassiker Verlages. Nicht nur war der Göttinger Professor das gesamte Werk textkritisch durchgegangen und hatte dabei die niederschmetternde Zahl von rund 1000 Abweichungen gegenüber Goethes originaler Textfassung festgestellt und bereinigt; Verschlimmbesserungen zumeist und – was die Interpunktion angeht – die üblichen Dudennormierungen. Er gab seiner Edition auch den "Urfaust" bei, dazu die üblichen Paralipomena, die am Ende doch keiner liest, dann aber mit seiner "Walpurgisnacht"-Restitution eine textlich zwar durchaus vertretbare, aber so gewagte Bühnenfassung, dass sie dem Deutschen Fernsehen selbst im Goethe-Jahr als zu pornografisch erschien. Dabei hatte er nichts anderes gemacht, als Goethes unterdrückte "Stellen" sinnentsprechend wieder einzufügen bzw. als Regieanweisungen zu nutzen.
Aber das war noch nicht alles: Umfasste der Textband allein schon 850 Seiten (inklusive Zeugnisse zur Entstehungsgeschichte und Goethes Leseanweisungen), so brachte es der gewaltige Kommentar sogar auf 1140 Seiten. "So viele Einsichten, Lektürehinweise und Denkanstöße ... kriegt man kaum je in der Literatur", würdigte Jörg Drews das Werk bei Erscheinen in der Süddeutschen Zeitung. "Es fragt sich einfach, ob die Deutschen zur Kenntnis nehmen wollen, daß ihnen hier ein atemberaubendes Stück Literatur erschlossen worden ist."
Und dennoch hat diese großartige Leistung den Herausgeber auch danach nicht ruhen lassen. Nach vier rasch notwendig gewordenen Auflagen bis 1999 wurde die jetzt vom Insel Verlag übernommene fünfte Auflage abermals durchgesehen und ergänzt. Verdienstvollerweise ließ sie der Verlag parallel auch noch als Insel-Taschenbuch Nr. 3000 erschienen.
Übrigens, ich traue es mich kaum zu sagen, da ich auch erst sehr spät dahinter gekommen bin: Der Tragödie erster Teil ist ein spannendes Bühnenwerk, das wissen ja noch viele; aber der zweite ist ein höchst buntes Gedicht nicht nur voller Bedenkenswertem, sondern immer wieder auch mit humorvollen Stellen. Also bitte weiterlesen – wenigstens einmal im Leben!

Goethes Faust. Band 1: Texte. Band 2: Kommentare. Hrsg. von Albrecht Schöne. Frankfurt/Main: Insel Verlag 2003. Geb. 49,90 Euro. Als insel taschenbuch nr. 3000
20 Euro.