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Wolfgang Frühwald: Goethes Hochzeit

 

Drei Tage nach dem 14. Oktober 1806, dem Einzug der napoleonischen Soldateska in Weimar. schreibt Goethe an Wilhelm Christian Günther, den nachbarlich verbundenen Hofprediger, er wolle seine „kleine Freundinn, die so viel an mir gethan und auch diese Stunden der Prüfung mit mir durchlebte völlig und bürgerlich anerkennen, als die Meine.“ 18 Jahre hat er sich Zeit gelassen. Jetzt aber soll die Zeremonie „sobald möglich, Sonntag, oder vorher“ stattfinden. „Geben Sie dem Boten, wenn er Sie trifft gleich Antwort“, schließt der Brief geradezu hastig. „Bitte!“ Am Sonntag, dem 19. Oktober 1806 steht er mit Christiane in der Sakristei der St. Jakobskirche. Sein Sohn August und Riemer sind die Trauzeugen. Die Ringe sind nicht auf den Tag der Hochzeit, sondern bedeutungsvoll auf den 14. Oktober, den Tag, als Christiane über sich selbst hinauswuchs und Goethe und sein Haus hitzig und tapfer verteidigte. Das erinnert an die alljährliche Verlobungsfeier der beiden, der beim ersten Mal gewiss ein lustvolles, aber doch keinerlei offizielles Verlöbnis vorangegangen war: In solchen Fällen stilisiert Goethe sein Leben gern ein wenig. Obwohl Not und Schrecken gerade alles um und um gekehrt haben: Die fest gefügten Vorurteile der Weimarer Prüden werden davon nicht berührt. „Während der Plünderung“ – so Charlotte von Stein – „hat er sich mit seiner Mätresse öffentlich in der Kirche trauen lassen.“ In den Augen Charlotte von Schillers besitzt die Eheschließung „etwas Grausenhaftes“, weil in der Kirche tags vorher noch Tote und Verwundete gelegen hätten. Auch sei dieser Schritt „so ohne Nutzen und Zweck“. Sie wird sich noch Jahre später fragen: „Welcher Dämon hat ihm diese Hälfte angeschmiedet?“ Diese Episode aus Goethes Leben hat Wolfgang Frühwald um das Schicksalsdatum des 14. Oktobers 1806 herumgruppiert, hat daraus den späteren panischen Lebensschrecken des Dichters abgeleitet, sein neues Ehekonzept und, damit verbunden, eine warmherzige Deutung des eben nicht bloß vordergründig erotischen Gedichtes „Das Tagebuch“ gegeben. Gewiss ist dieses Insel-Büchlein des Germanisten anders, strenger geschrieben, als es die Damen Sigrid Damm und Dagmar von Gersdorff getan hätten, denen man im Insel-Verlag vergleichbare Aufträge im allgemeinen eher gegeben hätte. Aber während von Gersdorff vermutlich eine weitere redliche Familiengeschichte daraus gemacht hätte und die Damm einen Emanzipationstraktat auf hohem Niveau, hat Frühwald sein Pferdchen einfach und zunftgerecht aufgezäumt und es schnurstracks ins Ziel geritten. Dabei ist ein vernünftiges und brauchbares Buch für alle Goethefreunde entstanden, die sich nicht gleich eine neue Gesamtbiografie kaufen wollen, um über dieses zentrale Kapitel gut informiert zu werden.

Wolfgang Frühwald: Goethes Hochzeit. Frankfurt am Main und Leipzig: Insel Verlag 2007. 78 S. (Insel-Bücherei Nr. 1294) 11,80 €