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Goethe-Handbuch: Supplemente 1: Musik und Tanz in den Bühnenwerken |
Dass es zu dem ohnehin schon umfangreichen Handbuch mit seinen sechs Bänden von 1999 so bald schon einen Supplementband geben würde (und für Mai 2009 noch zwei weitere angekündigt sind), war sicher nicht voraus zu sehen. Aber schon erstes Querlesen im voluminösen Ergänzungsband 1 zeigt, dass hier keine Beutelschneiderei betrieben worden ist, sondern auf dieselbe klar gegliederte und verständlich geschriebene Weise wie im Hauptwerk Forschungsarbeit betrieben worden ist, die den Stand der Dinge deutlich vorwärts bringt.
Das Thema „Musik und Tanz in den Bühnenwerken“ wird nun auf 550 Seiten ausgebreitet. Noch im Dramenband des Handbuchs umfasste es lediglich 22 Seiten. „Dieser insgesamt unbefriedigende Stand der Forschung“, hieß es vor zwölf Jahren, „lässt sich zum einen aus der Rezeptionsgeschichte des Forschungsgegenstandes, zum anderen aus der Geschichte der mit ihm befassten Disziplinen erklären: Einerseits spiegelt er die Geringschätzung, der die Librettoproduktion des Weimarer Dichterfürsten schon bald anheim fiel, andererseits resultiert er zweifellos aus der Tatsache, dass die Librettoforschung sowohl in der Literatur- als auch in der Musikwissenschaft seit jeher das Dasein eines wenig beachteten Randgebietes fristet.“
Dass scheint nun merklich anders geworden zu sein, wie alleine schon das Studium der bibliografischen Anmerkungen und Fußnoten verrät. Und gering schätzen wird man Goethes zahlreiche Singspiele, dramatische Gelegenheitstexte und Maskenballentwürfe nur, wenn man sich fürs Volks-Theater des 18. Jahrhunderts wenig und für Goethes Leben noch weniger interessiert. Spiele wie „Lila“ oder „Die Fischerin“ verraten viel über Goethes Befindlichkeiten, Absichten und zugleich einiges über intime Vorgänge bei Hofe. Die Darstellung eines Maskenballs im Spätherbst 1776 – in der Tat ist die Konzeption des Werkes selber von peripherer Bedeutung – bringt die Lösung des Rätsels, warum Lenz im Dezember Weimar verlassen musste. (In Goethes Tagebuch heißt es dazu nur vage: „Lenzens Esely“.) Die Prosa-„Iphigenie“, im Hauptmannschen Redoutenhaus und auf Schloss Ettersburg erstaufgeführt, hat Literaturgeschichte gemacht und wird hier detailliert dargestellt. Goethes groß angelegte Fortsetzung von Schikanenders „Zauberflöte“ dagegen ist weitgehend unbekannt geblieben und wird hier so eingehend wie selten behandelt. Durch klug eingesetzte literaturkritische Kombinationen wird sogar ein überhaupt nicht erhaltenes Spiel in seiner Absicht, seinem Inhalt rekonstruiert, die dramatische Geselligkeit „Sie kommt nicht! ein jammervolles Familienstück“, dass Goethe in jenem Offenbach’schen Bürgerhaus spielen ließ, in welches „Sie“ (nämlich Lili Schönemann) zu spät gekommen war. Ich wette, selbst viele ausgewiesene Goethe-Kenner haben von dieser Geschichte noch nicht gehört.
Die Texte dienen strenger Forschung, sind aber durch zweispaltigen Satz und die immer gleiche Untergliederung jeden Kapitels so übersichtlich und leserfreundlich gehalten, dass man sich leicht und gern zurechtfindet. Immer folgen der Entstehung und Überlieferung eine Inhaltsangabe, abgeschlossen vom Kommentar. Immer werden reichlich Primär- und Sekundärzeugnisse herangezogen und in die Texte integriert. Wenn nun die noch versprochenen Folgebände über Naturwissenschaften und Kunst genau so klug und materialreich ausfallen, so wächst der Goethe-Literatur etwas ungemein Nützliches, wirklich Brauchbares zu. Keine Frage, dass zukünftige Autoren der germanistischen Zunft schnell und gern mit diesem Handbuch arbeiten werden; und gewiss leichter, als es ohne mit dem hier Gebotenen möglich gewesen wäre.
Goethe-Handbuch. Supplemente 1: Musik und Tanz in den Bühnenwerken. Hrsg. von Gabriele Busch-Salmen. Stuttgart: J. B. Metzler 2008. XV, 562 S. Geb. 89,95 E
Für Mai 2009 sind angekündigt:
Supplement 2: Naturwissenschaften. Geb. Ca. 800 S. Ca. 99,95 €
Supplement 3: Kunst. Ca. 800 S. Geb. Ca. 129,95.