Autors Arbeitsplatz
Goethe - Café *** Auswahl ***
Eingang Auswahl Archiv    
H. O. Proskauer:
Zum Studium von
Goethes Farbenlehre

Zunächst verwundert, dass dieses Werk des anthroposophischen Autors in aller Stille seit 1951 die vierte, mittlerweile neubearbeitete und erweiterte Auflage erreicht hat. Denn es ist ja nicht so, dass Goethes Farbenlehre, wie Proskauer behauptet, „für die Kulturwelt bis heute so gut wie unbekannt geblieben“ ist. Im Gegenteil bilden zahlreiche herrliche Bildbände, wunderbare Editionen und nahezu jeder Jahrgang des Goethes-Jahrbuches hier eine enorme Konkurrenz.

Auch Proskauer selber hat sich auf diesem Gebiet mit mehreren Veröffentlichungen, vor allem mit der Gesamtausgabe von Goethes „Farbenlehre“ mit Rudolf Steiners Einleitungen und Kommentaren, Verdienste erworben. Einer Ausgabe übrigens, von der ein Farbenfreund auf seiner homepage schrieb: „Von den zahlreichen Ausgaben sei diese besonders empfohlen. Ungekürzt, mit zahlreichen Farbtafeln versehen, sorgfältig und ausführlich kommentiert - fällt es leichter die unabdingbare Besonderheit von Goethes Farbenlehre zu berücksichtigen: Diese darf keinesfalls bloß gelesen werden, sondern muss, vor allem im didaktischen Teil praktisch, d.h. experimentell, beobachtend nachvollzogen werden. Kein Buch fürs Nachtkissen also!“

Wenn Goethe einst geschrieben hat, seine Farbenlehre sei „schwer zu überliefern, denn sie will nicht bloß gelesen und studiert, sondern sie will getan sein, und das hat seine Schwierigkeit“, kann ihm und denen, die sich noch heute auf dieses Wort berufen, gesagt werden: Es gibt ihrer mehr, die sich an die Goethesche Farbenehre halten, als ihr denkt, aber ihr müsst sie natürlich an der rechten Stelle suchen. Die „sinnlich-sittliche Wirkung der Farbe“ wird heute von Malern, Bühnenbildnern, Architekten und Fotografen genutzt, bei der Einrichtungslehre von Wohnungen und – horribile dictu! – bei Schminktechniken.

Leider verteufelt Proskauer gerne, was nicht ins Bild passt, und das oft mit reichlich verquasten Worten. Unsere Welt ist natürlich eine der „Zivilisations-Vertechnisierung“. Und wo zum Phänomenologischen auch noch die Nutzen der Quantifizierung hinzugezogen werden, unterwirft man sich damit einer „mathematisierenden Physik“, die jegliche „Erweiterung in die Regionen des Universums“ unmöglich mache. Da hält man sich dann lieber an Proskauers Lehrmeister Steiner, der in dieser Hinsicht offener ist und zu relativieren versteht, wenn er sagt: „Dort stehen bleiben wollen, wo Goethe stand, ist unsinnig, aber ohne ihn im Leibe zu haben und ohne mit den von ihm in die Welt gesetzten Triebfedern sich ganz durch und durch auszuspannen, ist kein Fortschritt möglich.“

Und dennoch will ich dieses Werk – nicht zuletzt vor mir selber – in Schutz nehmen, denn es bemüht sich, seinen Stoff durchaus auf unterschiedliche Weise in den Griff zu bekommen: intellektuell durch das Geschriebene und anschaulich mit schwarz-weißen und mehrfarbigen Tafeln, dazu mit einem kleinen Versuchsprisma, mit dem man das Gelesene ausprobieren, umsetzen, weiterführen kann. (Das hat mich an den „Kleinen Physikus“ meiner Kinderjahre erinnert und Spaß gemacht.)

Es gibt schwierige Kapitel wie die „Ableitung der prismatischen Farben“ und solche, die nur eine angenehme geistige Herausforderung darstellen, wie zum Beispiel die Erklärungen zum Farbkreisschema. Bei alledem gilt letztlich das Wort Goethes:

Was ist das Schwerste von allem?
Was dir das leichteste dünket;
Mit den Augen zu seh’n
Was vor den Augen dir liegt.

KLAUS SEEHAFER

H. O. Proskauer: Zum Studium von Goethes Farbenlehre. Mit beigegebenem Versuchsprisma. Mit schwarz-weißen u. mehrfarbigen Tafeln. 4. neubearb. u. erw. Aufl. Basel: Zbinden Verlag o.J. 119 S. Geb. 26,- €