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Herders missglückte italienische Reise
Der Deutsche Taschenbuch Verlag hat uns mit der Neuausgabe eines bereits 1988 erschienenen Titels im Grunde ein klassisches Werk der deutschen Literatur geschenkt, das es vorher nicht gab. Goethes "Italienische Reise" kennen viele, auch Seumes "Reise nach Syrakus" ist nicht unbekannt geblieben, und Moritzens mehrfache Verarbeitungen seiner römischen Erfahrungen werden gleichfalls immer wieder aufgelegt. Aber um zu wissen, was Johann Gottfried Herder von 1788 bis 1789 in Italien erlebt und empfunden hat, muss man schon seine Briefe und Tagebuchaufzeichnungen zusammenstellen, muss sie um die Antworten der Daheimgebliebenen und um Stellungnahmen ergänzen, die ihm nie zu Ohren kamen, muss sie – und dies nicht zu knapp – mit gründlichen, zusammenhangstiftenden Anmerkungen versehen.
Eine Wahnsinnsarbeit, geleistet durch die Herausgeber Albert Meier und Heide Hollmer, die nicht nur Kenner des Herder'schen Lebens im Besonderen und der Weimarer Klassik im Allgemeinen sind, sondern auch (was sie deutlich von den meisten ihrer Zunftgenossen unterscheidet!) der einschlägigen deutschen Literatur bis hin zu Rolf Dieter Brinkmann, von dem 1979 das Text-Bild-Klebe-Album "Rom, Blicke" erschien. Ein Werk, mindestens so missvergnügt wie alles, was Johann Gottfried Herder in Italien empfand. Aber warum sollten wir uns den unwilligen 700-Seiten-Schinken des einflussreichen Superintendenten von Weimar antun? Als Cicerone ist er doch denkbar schlecht geeignet. Das sicher, aber neben, mit oder nach dem Werk von Goethe gelesen, bekommen wir die genaue Ergänzungzum berühmtesten aller italienischen Reisebücher. Was sich dort edel, sauber, erhebend liest und dem Dichter offenbar in jeder Hinsicht förderlich war, bekommt in Herders von Klatsch durchaus nicht freien Texten die kehrseitige Ergänzung. Da fühlt sich einer unter Wert verkauft, mag das alles nicht recht, was ihm an südländischen Besonderheiten vorgesetzt wird und geht am Ende so weit, dass er sich nach der italienischen Reise erst so recht als Deutscher empfindet.
Was bei Goethe nach vielen Jahren geglättet, arrangiert und zum literarischen Werk verdichtet erschienen ist, möchten wir nicht missen. Herder aber hat authentisch und aus dem Augenblick heraus geschrieben, illusionslos, verbittert von den schweißtreibenden Schwierigkeiten des Tages, nicht zuletzt voller voller Ranküne und durchsetzt kleinen, feinen Gemeinheiten.

Johann Gottfried Herder: Italienische Reise. Briefe und Tagebuchaufzeichnungen 1788 – 1789. Hrsg., kommentiert u. mit e. Nachw. von Albert Meier u. Heide Hollmer. München: Deutscher Taschenbuch Verlag 2003. 739 S. (dtv Nr. 13136) 15 EUR