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Schiller bei Aufbau – ein verlegerischer Kraftakt |
Vielen DDR-Verlagen sind die schönsten und ehrgeizigsten Unternehmungen in den Wirbeln der Wende zerbrochen. Seine ehrgeizige Berliner Goethe-Edition konnte der Aufbau-Verlag noch unter Dach und Fach bringen, sie gehört bis heute zu den beliebtesten Lese- und Studienausgaben. Die Bettina-von-Arnim-Ausgabe allerdings gedieh nicht mehr über den zweiten Band hinaus. Der zehnbändige Schiller lag schon bis zum fünften Band vor, das druckfertige Manuskript für Band 7 freilich blieb im Lektoratsregal liegen. Fünfzehn Jahre lang! Danach war eine kontinuierliche Weiterarbeit mit dem alten Team nicht mehr möglich, mussten neue Kräfte gewonnen werden. Der promovierte Schiller-Forscher Barthold Pelzer konnte im Sommer diesen Jahres die Manuskriptarbeit an den noch fehlenden Bänden abschließen. Da außer der Gesamtkonzeption und den detaillierten Bandgliederungen so gut wie nichts an Material vorlag, hatte er ein riesiges Pensum zu bewältigen gehabt.
Der Umfang der vollendeten Schiller-Ausgabe liegt jetzt bei rund 9.500 Seiten. Jeder Band enthält einen Kommentar von rund 300 Seiten! Die Werke sind nach Gattungen geordnet. Die Textdarbietung beruht auf den Erstdrucken bzw. Handschriften. Und nachdem so viel philologische Arbeit geleistet worden war, wird der Verlag "seinen Schiller" nun auch als ein wahres Schmuckstück präsentieren: in Ganzleinen, mit farbigem Vorsatz und zwei Lesebändchen pro Band, das Ganze im Schmuckschuber. Aber lohnt sich das Ganze denn überhaupt buchhändlerisch?
Da hat der Verlag sicherheitshalber eine der ältesten, sozusagen eine klassische Vertriebsform wiederbelebt, wie sie Klopstock und seine Zeitgenossen noch angewendet haben: die Subskription. Bis zum 31. Januar 2005 müssen sich wenigstens 1000 Käufer zum Erwerb der Ausgabe verpflichtet haben, dann wird sie rechtzeitig zu Schillers 200. Todestag vorliegen. Vorteil der Förderer: Sie werden in der Ausgabe namentlich genannt und sparen 71 Euro!
Neben diesen verlegerischen Kraftakt treten weitere Veröffentlichungen des Verlages zum Gedenkjahr: eine im Januar erscheinende Anthologie von Schillers schönsten Gedichten ("Ewig jung ist nur die Phantasie"), die im nebenstehenden Kasten erwähnten Titel von Körner und Stade, sowie Marie Haller-Nevermanns prachtvolle Bildbiografie. Ein bibliothekarischer Rezensent, immer um zusammenfassende Kürze bemüht, schrieb: "Diese ist bisher eundeutig die schönste, die von Sigrid Damm die anschaulichste, die von Rüdiger Safranski die tiefschürfendste, die von Peter Alt die kompakteste."
Haller-Nevermanns "Ich kann nicht Fürstendiener sein" besticht nicht allein durch die Fülle des Bildmaterials und die für heutige Verhältnisse selten gewordene Schönheit der Buchausstattung. Den biografischen Kapiteln folgen jeweils thematische Essays, die Schiller als Arzt, Freund, Gesprächspartner, Theaterdichter, Publizisten würdigen, dazu seine Bezüge zur Musik beleuchten und seine Wirkungsgeschichte darstellen. Den Beschluß macht alles, was man sich zur Erschließung eines guten Sachbuches nur wünschen kann: Chronik und Literaturverzeichnis, Bildnachweis und Personenregister.
Friedrich Schiller: Sämtliche Werke. "Berliner Ausgabe". Hrsg. von Hans-Günther Thalheim... Band 1 – 10. Berlin: Aufbau-Verlag 2005. Geb. ca. 9.472 S. Subskriptionspreis bis 31. Januar 2005: 249,- Euro. Danach 320,- Euro.
Marie Haller-Nevermann: Friedrich Schiller. Ich kann nicht Fürstendiener sein. Eine Biographie. Berlin: Aufbau-Verlag 2004. 303 S., geb. 24,90 Euro