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Bernd Wolffs Roman-Trilogie über Goethes drei Reisen zum Brocken
Immer wieder haben sich Autoren bemüht, dem Faszinosum von Goethes Leben erzählend zu begegnen. Sigrid Damm hat sich von ihrer Art Biografien zu schreiben vorsichtig bis an die Grenze des Romans herangewagt, sie aber nicht überschritten. Dieter Kühn hat mit Raffinesse Zwischenformen zwischen Roman, biografischer Erzählung und Biografie ausprobiert („Flaschenpost für Goethe“, „Goethe zieht in den Krieg“). Martin Walser ist mit „Ein liebender Mann“ gescheitert, geglückt aber ist ihm das Drama „In Goethes Hand“. Klaus Tudyka hat mit „Mann von Stein“ einen scharf focussierten Monolog vom Rande her geschrieben. Werner Liersch gelang es, mit „Eine Tötung im Angesicht des Herrn Goethe“ den Mörder Sand und den Ermordeten Kotzbue in ein Gewebe von Personen zu ziehen, durch das sich wie ein roter Faden die Erscheinung Goethes zieht. Vielleicht den bedeutendsten Roman aber schuf Thomas Mann mit „Lotte in Weimar“. Da gibt es zuhauf doppelte Spiegelungen und vielfache Echos, und im ganzen Buch klingt Manns Goethe wie Goethe, der wie Mann klingt, der genau weiß, wie Goethe als alter Mann geklungen hat – nicht unähnlich nämlich wie der alte Mann.

Nun darf der Abschluss einer Trilogie von Bernd Wolff angezeigt werden, für die sich sein Autor drei Jahrzehnte Zeit genommen hat. Die langsame Entstehung ist dem Werk gut bekommen. Der geduldige Erzähler bewegt sich souverän wie derzeit kein anderer Autor in den näheren und weiteren Lebensumständen Goethes, in der Geschichte der bereisten Gegenden und in der Natur von Steinen, Pflanzen, Tieren. Und weil er sich für alles soviel Zeit genommen hat, ist seine Sprache anschaulich und erdenschwer geworden, hat sie einen unglaublichen Reichtum von Fach- und Sondersprachen in sich aufnehmen können.

„Winterströme“ beschreibt Goethes erste Harzreise von 1777; Eine Fahrt, die dichterisch ihren Niederschlag in „Harzreise im Winter“ gefunden hat. Dem Dichter fällt es schwer, die rechten inneren und äußeren Wege zu finden. Und dann trifft der weltfrohe 28-jährige auch noch auf den Weltschmerz des gleichaltrigen Plessing. Da begegnen sich zwei Männer, wie sie unterschiedlicher nicht gedacht werden können. Der mißtrauische Stubenhocker trifft auf einen ihm unbekannten Mann, der seinen wahren Namen nicht Preis gibt, aber ihn herausfordert und sich für alles in seiner Umgebung interessiert. Innere Schmerzen freilich hat auch er: verursacht von der schroffen und schnell übelnehmenden Charlotte von Stein.

Diese Schmerzen werden auf der zweiten Reise im Herbst 1783 noch schlimmer. „Behalte mich recht lieb, den du dir allein ausgesucht hast“, fleht Goethe Charlotte in einem Brief an. Zugleich aber ist er fasziniert von der 37-jährigen Marquise de Branconi, einer der schönsten Frauen ihrer Zeit. Er besucht sie in Langenstein, widersteht dann aber doch. All das zerrt an seinem Herzen, aber wie schon bei seiner ersten Reise beschäftigen ihn noch andere Dinge: die Formationen der Berge, Alter und Beschaffenheit der Steine, Gespräche mit einfachen Leuten, mit Förstern und Bergknappen. Immer häufiger entdeckt der Goethefreund auch Bezüge und Reflexe zum „Faust“.

Das letzte Mal auf den Brocken gestiegen ist Goethe bei seiner dritten Harzreise im Frühjahr 1784. Zeitweise begleitet er Herzog Carl August, immer ist der Weimarer Malprofessor Kraus mit dabei (von dem das Buch eine ganze Reihe Zeichnungen bringt – es sind sozusagen die Reisefotos jener Zeit). Breiter ist der Erzählansatz diesmal, häufig wechselnd zwischen Weimar und den Reisestationen. Zugleich fesselt der Autor jetzt womöglich seine Leser noch mehr. Dem schwerblütigen ersten Band folgte der leidenschaftliche zweite, der nun von einem dritten abgeschlossen wird, in dem vor allem die Sinne dominieren. Die Schönheit der Frauen, der Kunst, der Natur wird so genau beschrieben wie Kraus gezeichnet hat.

Ein herrliches Werk, das zur Zeit einzig dasteht in der Romanliteratur über Goethe.


Bernd Wolff: Winterströme. Goethes erste Harzreise. Neuausg. Dornach: Pforte Verlag 2008. 291 S., geb. 24,- €

Bernd Wolff: Im Labyrinth der Täler. Roman. Goethes zweite Harzreise. Roman. Dornach: Pforte Verlag 2004. 363 S., geb. 24,- €

Bernd Wolff: Die Würde der Steine. Goethes dritte Harzreise. Roman. Dornach: Pforte Verlag 2008. 407 S., geb. 24,- €

Zusammen als Kassette: 59,- €